Detailansicht

"1845 - 2020" 175 Jahre Buchholzer Taubeninnung

Eine historische Zusammenstellung von Günter Stach nach Aufzeichnungen und aktuellen Vorlagen von Eberhard Roscher und Axel Nestler.

Ein geschichtliches Ereignis, das die Leser aufhorchen lässt. Die Jungen wird es erstaunen, währenddessen die ganz Alten unter ihnen meinen, sie könnten sich in etwa noch an die Gründerzeit der Vereine erinnern. Und tatsächlich trugen sie noch teilweise dazu bei, nach dem gültig gewordenen Vereinsrecht gemäß ihren Interessen ohne großen Aufwand noch in der Zeit danach Sonder- bzw. Spezialvereine ins Leben zu rufen. Ganz so spontan konnten die damaligen Initiatoren ein derartiges Ansinnen nicht gleich durchsetzen; denn sowohl organisatorische als auch gesellschaftliche Hindernisse standen ihnen im Wege, Gruppierungen jeglicher Denkmodelle zu bündeln.

175 Jahre - eine bedeutende, mit Traditionen verbundene Zahl mit dem Hinweis auf eine Epoche, die uns in die Vergangenheit versetzt – in eine Lebenszeit, sie in Gedanken nachzuvollziehen für uns von wunderbaren Vorkommnissen begleitet zu sein scheint. Posthum die Menschen fasziniert. Freilich auch nachdenklich stimmen muss, weil sowohl durch voran gegangene und danach überstandene Kriege mit verheerenden Folgen als auch missliche Ernten mit wirtschaftlichen Nöten zu überwinden waren. Von Komfort und Wohlstand, wie wir ihn heute kennen, konnte wahrhaftig nicht die Rede sein. Elektrisches Licht war damals noch nicht üblich –ein organisierter Fernverkehr entwickelte sich erst zögerlich.

Im sächsischen Buchholz pulsierte die Umtriebigkeit, blühte im damaligen Zentrum des Silberbergbaues das Handwerk und nahm der Handel zu. Lebendig-rege Ausgeglichenheit, die sich zunehmend sogar im Schönheitsempfinden vielfältig auserwählten Haustaubenrassen niederschlug.

Der Wunsch – wie er unter den Menschen angelegt war - sich mit Gleichgesinnten zu vereinen, blieb den sich darum bemühenden Taubenfreunden nicht vorenthalten. Weil die Obrigkeit einen solchen Zusammenschluss jedoch nicht einzuordnen wusste – ihr der Anlass für eine Vereinsanerkennung auf dieser Ebene nicht ausreichte – stufte sie die Taubenliebhaber in die Phalanx der Handwerkerinnung ein. Im Februar 1845 wurde dem Antrag der Initiatoren August Kindermann (1798 - 1888) und Gottlob Mitte (1800—1878) gleichwohl ihrer Gefolgschaft von 22 Mitgliedern der Gründung der „Buchholzer Taubeninnung“ zugestimmt. Eine Formation mit alljährlich zeremoniell ausgeübten Zunft-Ritualen, die mit Bedacht der Zeit angepasst auf Disziplin und Moral ausgerichtet war.

Im Vordergrund dieser Tauben-Züchtervereinigung stand der Austausch von Erfahrungen der gehandhabten Zuchtmethoden, auch die Pflege der Geselligkeit sollte nicht zu kurz kommen. Schlagbesichtigungen, Zusammenkünfte sowie die Tiervergleiche bei Ausstellungen waren weitere Ziele. So folgte die erste ihrer Art im „Kreherschen Gasthaus“ zu Buchholz – es überwogen hierbei die Lieblingsrassen der Züchterschaft: Sächsische Farbentauben.

Die Mitgliederliste weist im Januar 1850 immerhin 32 Personen auf. Mehr als die Hälfte verdingen sich als Fabrikbesitzer, Handwerksmeister, Apotheker, Stadtrat und Gastwirt. Das leitende, und nach einem Reglement verfahrende Innungsgremium bestand aus dem: Vorsitzenden  :                              Eduard Bach

Obermeister  :                               Carl Grund

Vormeister    :                               Gotthold Mitte

Ladenschreiber (Schriftführer) :   Heinrich Bach

Stamm- oder Fördermeister     :   Gottlob Lammel

und ein aus vier Mitgliedern bestehender Ausschuss.

Die im gleichen Jahr aufoktroyierten Auflagen mit der künftigen Zahlung einer Aufnahmegebühr von einem Thaler und jährlich 5 Neugroschen, trat 1852 in Kraft. An die Verpflichtung, Tauben zu halten und zu züchten, war jedes Mitglied gebunden. Ausgenommen hiervon waren nur die Ehrenmitglieder, der Ladenschreiber und der Taubendoktor. Wer sich verdächtig machte fremde Tauben wegzufangen, wurde ausgeschlossen – brachte er sie dem Besitzer zurück, erhielt er eine Belohnung. Das traf auch für das Erlegen von Raubvögeln (heute Greifvögel) in bestimmten Regionen zu. Wer den Zusammenkünften dreimal fern blieb, musste 20 Neugroschen hinterlegen.

Der Zuspruch zur Innung war erfreulich groß und entwickelte sich fortan noch steigernd. Bald waren es 100 Taubenzüchter, die die Zucht der edlen Haustauben als solche belebten, sogar den Handel mit ihnen im gesamten Erzgebirge und darüber hinaus nicht nur erfrischten, sondern auch aufblühen ließ. Zu kargen Zeiten ein wirtschaftlicher Aspekt, der nicht umsonst schien, sich daran zu beteiligen den Kreis derer mobilisierend auszuweiten.

Ein Höhepunkt in der jungen Geschichte der Innung war die Jahresfeier von 1854 mit dem Vortrag des von Frau Amalie Berthold, der Frau des Mitgliedes Emil Berthold, gedichteten, zur Legende gewordene Taubenliedes. Von nun an gehörte es vom ungeschriebenen Gesetz zur Tradition werdend, bei jedem Zusammentreffen dieses Lied zu singen mit dem bekannten, in aller Munde verbliebenem und gut merkbarem Refrain: Tauben das sind schöne Tier, Tauben die gefallen mir.

Infolge behördlich geänderter Strukturverordnungen kam es am 2. Februar 1869 zur Umbenennung von Innung zum „Taubenverein Buchholz 1845“. Im Laufe der Jahre hatten sich in Anlehnung an den später ins Leben gerufenen Hühnerologischen Verein von Görlitz zwischenzeitlich auch Hühnerliebhaber der Innung angeschlossen. Damit geriet der Taubenverein immer mehr in tendenzielle Zielschwankungen, so dass sich 1885 mit dem Ergebnis eines erwachsenen Zuspruchs die Umbenennung in „Geflügelzüchterverein Buchholz 1845“ vollzog. Im März 1895 dem  Landwirtschaftlichen Kreisverein des Erzgebirges beigetreten, brillierte die 50. Jubiläumsschau mit 1.600 Tieren.

Als sich zur Jahrhundertwende die Spezialisten der einzelnen Rassen zusammenschlossen,  um gemeinsam ihren Idealen näher zu kommen, wurde die Innung als Herd der Initiatoren doch zu einem Impulsgeber für weitere Vereins-, speziell für Sondervereinsgründungen. So hielt der Verein der Züchter Sächsischer Farbentauben seine Gründungsversammlung am 31. Oktober 1895 in Döbeln ab. Dem Verein, geführt vom ortsansässigen August Neubert, gehörten Anfang Februar des folgenden Jahres bereits 42 Personen an. Dieser heute  220 Mitglieder zählende SV betreut 10 Rassen mit 25 Farbenschlägen, 13 Zeichnungsvarianten und drei verschiedenen Kopfstrukturen. Als verdiente Züchter aus dieser Region sind aufgrund ihrer Leistungserfolge unbedingt zu nennen: Walter Engmann, Helmut Hillig. Und Martin Hahn, Beierfeld, der 1931 in Mailand mit seinen Schmalkaldener Mohrenköpfen die Medaille des Bundes Deutscher Geflügelzüchter errang. 1939 erhielt er den Reichssiegertitel für die gleiche Rasse, die damals noch bei den Sächsischen Farbentauben angesiedelt war.

Weiterhin setzte Johannes Goldhahn aus Bernsbach mit seiner Zucht isabellfarbiger Brünner-Kröpfer hohe Maßstäbe.

Am 08. Februar 1920 erfolgte anlässlich einer Geyerischen Geflügelausstellung in der Gaststätte „Einenkel“ zu Geyer die Gründung des Club` Sächsischer Flügeltauben. Neben den Gründungsmitgliedern:

Gustav Richter, Geyer                                      Rudolph Groschupf, Ehrenfriedersdorf

Paul Sonntag, Geyer                                         Albin Dietz, Tannenberg

August Nestler, Geyer                                      Hugo Georgi, Zschorlau

waren so bekannte Chemnitzer Züchter dabei wie: Oswald Wittig, Paul Hahn, Dr. Paul Trübenbach.

Ab 1924 kamen die Sächsischen Schwalben hinzu, und seit 1931 gehören ebenfalls die Sächsischen Schildtauben zu diesem Sonderverein.

Seit Januar 1975 werden regelmäßig Sonder- bzw. Hauptsonderschauen in Zwönitz abgehalten. Daran beteiligten sich ebenfalls die Sächsischen Farbentauben und am Anfang auch die SZG der Thüringer Flügel-, Schild- und Schnippentauben.

Der SV der Sächsischen Flügel-, Schwalben- und Schildtauben betreut ca. 130 Mitglieder aus Deutschland, Holland, Norwegen und Dänemark.

In Chemnitz wurde am 21. September 1924 der SV der Eistaubenzüchter gegründet. Der 2. Trommeltaubenzüchtertag fand am 24. Mai 1925 in Werdau/Sachsen statt.

Auch der SV der Züchter Sächsischer Kropftauben hat seine Wiege in Sachsen stehen und ist das Resultat impulsgebender Innungsmitglieder. Im Januar 1927 trafen sich in Leipzig einige unentwegte Liebhaber dieser Rasse und schlossen sich spontan zu dieser Züchtergemeinschaft zusammen.

Aus Brünlos kommen die blauen Lahoretauben, Gelbschimmelige Lockentauben entstanden in Mildenau. Sicher wären noch weitere Vorgangsdaten zu nennen und Rassen bzw. Farbenschläge aufzuführen. Die durch die ideelle Ausstrahlung der Innungsmitglieder von sich Reden machten. Würde man diese züchterischen Ereignisse aneinanderreihen, so lassen sich die Aktivitäten und das Arrangement der sächsischen Züchter – und das speziell in der Region des Erzgebirges - zu dieser Zeit nur erahnen, mit welchem Elan sie sich dieser Freizeitbeschäftigung hingaben.

Durch politische Einflussnahme erfolgte 1932 die Gleichstellung aller Vereine, waren die politischen Weichen latent richtungsweisend auf Krieg eingestellt. Nach seinem verheerenden Ende, 1945, mit einem geteilten Deutschland endend, kamen die Vereinsaktivitäten zum völligen Erliegen. Keine Familie war verschont geblieben, die Anfänge waren schmerzlich. Doch der GZV Buchholz, angeschlossen der VdgB, gab sich die Ehre, am 13./14 Januar 1951 die Freunde der Rassegeflügelzucht zur Kreisschau Obererzgebirge nach Annaberg-Buchholz einzuladen. So namhafte Preisrichter wie Schürer, Leipzig, Dittrich, Chemnitz, Bilz, Mildenau, Georgi, Zschorlau, Elsner, Grumbach und Steinhardt, Geyer konnten für die Bewertung gewonnen werden.

1952 wurde in der DDR, nach der 2. Parteikonferenz, die Bezirksbildung eingeleitet und damit neue Organisationsformen in Kraft gesetzt. Eine Folge war die Umbenennung der SV (Sondervereine) in SZG (Sonderzuchtgemeinschaften).

Die Chronisten dieses Jubiläumsbeitrages erkannten in der Fortentwicklung des Vereinswesens bis zur Wiedervereinigung unseres Vaterlandes keine bemerkenswerten Höhepunkte. Erinnerten sie sich aber sehr früh, wie schnell sich der Gedanke zur Wiedergründung der „Buchholzer Taubeninnung 1845“ verbreitet hatte.

Stellvertretend für viele traditionsbewusste Züchter waren federführend Reiner Wolf und Siegfried Tauchnitz darum bemüht, die alte Namensgebung wieder herzustellen. Sowie auch die strukturelle Eingliederung in das in der BRD beibehaltene Organisationsgefüge zu forcieren. Mit dem Ersuchen vom 27.9.1991 und der erteilten Zustimmung durch BDRG und VDT kam es am 28.3.1992 zu einem Wiedergründungs-Festakt in der Festhalle zu Annaberg.

Im Beisein der Züchterprominenz aus dem seit 1989 wiedervereinten Deutschland und Vertretern aus Politik und Kommune, fiel es dem festlich gestimmten Versammlungsleiter, Reiner Wolf, leicht, die passenden Worte zu formulieren: „Machen wir`s den Tauben nach – bauen wir uns ein Nest“ war der Tenor seiner Botschaft, die von heiteren Vorträgen und dem gemeinsamen Singen des Taubenliedes begleitet wurde. Die „Buchholzer Taubeninnung 1845 im Erzgebirge“ – wie sie sich nun offiziell nennt – ist mit neuem Leben erfüllt. Die Festrede hielt Zfrd. Rudi Böttger vom GZV Buchholz 1845. Das Vorstandsteam setzte sich zusammen:

1. Vorsitzenden   :     Rigo Scharschmidt

2. Vorsitzenden   :     Andreas Meyer

1. Kassierer         :     Christian Kreher

2. Kassierer         :      Klaus Schreiter

1. Schriftführer   :      Siegfried Tauchnitz

2. Schriftführer   :      Karl Fischer

1. Beisitzer          :      Reiner Wolf

2. Beisitzer          :      Rüdiger Lorenz

3. Beisitzer          :      Helmut Stemmler

4. Beisitzer          :      Paul Heyn

Spontan trugen sich 130 Mitglieder ein. Ein historischer Akt, ein hoffnungsvoller Auftakt, der begeisterte, froh und zufrieden stimmte! Mit der Mitgliedsnummer OV-347 kam es später, am 14.11.1992, dann zur VDT-Mitgliedschaft.

Regelmäßig abgehaltene Quartals- und die JHV setzten das Innungsleben in Gang. Eine erste Schaubeteiligung fand 1993 in Zwönitz statt, weiterhin kam es anlässlich des 150-jährigen Innungsbestehens am 27./28.01.1995 im Klubhaus „Marx“ mit 453 Tieren zu einer Vereinsschau mit Jubiläumsfeier. Der Antrag vom Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit des VDT, Günter Stach, die Deutsche Post möge aus diesem Anlass eine Sonderbriefmarke herausgeben, scheiterte leider am Willen derselben, sich damit zu befassen.

Zu einem logistischen Höhepunkt der Taubeninnung kam es im November 1996 mit der Beteiligung von 350 Tieren anlässlich der 75. Schweizer Jubiläumstaubenschau in Bern. Freundschaftspflege zu Parallelvereinen gehört bei den Mitgliedern zu den gern ausgeübten zwischenmenschlichen Sympathiebekundungen. Traditionsbewusstsein und der Erhalt des kulturhistorischen Erbes ist bei ihnen tief verwurzelt angelegt. Jährlich werden eine Frühjahrsversammlung/JHV mit Fachvorträgen sowie eine Herbstversammlung mit einer Tierbesprechung organisiert.

Als ein geradezu brillantes, und in der Erinnerung nachhaltig wirkendes Ereignis, muss der am 15. August 1999 in der Silberlandhalle von Annaberg-Buchholz durchgeführte Sächsische Rassegeflügelzüchtertag vermerkt werden. Ein themenreich bestückter Tag: Frühmorgens versammelten sich dort die Teilnehmer, Gäste und Sponsoren zur Abfahrt zum Haus des einstigen Innung-Gründers - August Kindermann - nach Buchholz zur Enthüllung der Gedenktafel, auf der er zusammen mit Gotthold Mitte verewigt worden ist. In Dankbarkeit erinnert nun dort an der Hauswand geradezu leibhaftig das Konterfei der beiden Initiatoren an dieses, in der Taubenwelt immer noch so großartig in Erscheinung tretende Ereignis.

Ein jüngeres Highlight war das von der Innung organsierte und von 360 Teilnehmern 2012 in Annaberg-Buchholz besuchte 9. VDT-Meeting. Ein Erlebnis mit unwiederbringlichen Endrücken, das in der Fachverbandshistorie einen hohen Stellenwert einnimmt.

Mit der Beteiligung von Sondervereinen findet alle zwei Jahre – bislang überwiegend in Drebach – die sogenannte Innungsschau statt. 2017 war dort die Europaschau der Schweizer Farbentauben angeschlossen.

Aktuell gehören 108 Mitglieder der ältesten Taubeninnung der Welt, dem ältesten Rassetaubenverein Deutschlands an. Der Gesamtvorstand setzt sich zusammen aus:

1. Vorsitzender   :    Christian Kreher (seit dem 25.05.2003)

2. Vorsitzender   :     Axel Nestler

1. Kassierer         :    Johannes Sack

2. Kassierer         :    Thomas Brückner

1. Schriftführer   :    Andre‘ Feller

2. Schriftführer   :    Giso Hiemann

1. Beisitzer          :    Reiner Wolf

2. Beisitzer          :    Hans-Jürgen Schwind

3. Beisitzer          :    Felix Ullmann

4. Beisitzer          :    Steffen Grund

Miteinander geben sie der Traditionspflege den ihr gebührendem Halt – sie für die nächsten Generationen fortführend zu verankern. Historisches Kulturgut in Ehren zu halten ist die perspektivische Maxime, die der Zukunft einen Sinn geben soll. Wünschen wir der „Buchholzer Taubeninnung 1845“ weiterhin Auftrieb – Beständigkeit würde unserem Wunsch schon genügen, denn ihr Bestehen wissen wir in guten Händen gesichert. Das soll für uns derzeit eine sowohl verlässliche als auch beruhigende Garantieaussage sein.

Die Fotos stammen aus dem Archiv des Mitglieder-Autorenkollektivs